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Der dramatisierte Schundroman - Letzte Folge

Editionsrichtlinien

Stimmen und Regie

TEI version

Sprecher

Text

Sprecherin

Der dramatisierte Schundroman.

Die folgernden Titel zunächst wie kurze ›reale‹ Ansagen (Klavier, Cello, Geräusche), die in Vorschläge (ohne Signation) übergehen. – M 2 im leeren Raum.

M 1

Angst.

Irres Laufen

M 2

Nein.

M 1

Atemnot.

M 2

Nein.

M 1

Tödlicher Husten.

M 2

Nein.

M 1

M 2

Auch nicht.

M 1

Blut.

M 2

Nein.

M 1

M 2

Nicht gut.

M 1

Schreie aus der Hölle.

M 2

Nein.

M 1

Die Zukunft der Sinne.

M 2

Auf keinen Fall.

M 1

Finsternis.

M 2

Unter Umständen.

M 1

Die Erfindung der Wirklichkeit.

M 2

Eventuell.

M 1

M 2

Auch.

M 1

Letzte Folge.

M 2

Ja.

M 1

Was bisher geschah.

M 2

Was bisher geschah.

Evtl. Klaviermusik

Sprecherin 1

Was bisher geschah.

F 1

Begonnen hatte es auf dieser Reise, Europa, Nahost, angefangen hatte alles mit diesem Auftrag ... Nach Gesprächen in Oslo; Verhandlungen in Genf, neuerlichen Zerwürfnissen in Brüssel verlobten wir uns in Zürich. Aber in Krefeld schon wieder Szenen, Krawalle... Und Berlin! Ich hatte das Gefühl, gegen eine Mauer zu reden, so behandelte er mich. In Helsinki trafen wir ein Abkommen, an das er sich in Madrid schon nicht mehr hielt. Unterwegs nach Warmbad Villach beschloß ich, meine Forderungen deutlich zu machen, in Mürzzuschlag, in einem Gasthof der elendsten Sorte, führte ich dieses Vorhaben auch aus, aber er lachte bloß. Dann Linz! Ich appellierte an sein Gewissen, an was weiß ich, endlich Schluß zu machen damit – nichts ... Zugegeben, wir hatten eine wunderbare Zeit in Klagenfurt, während der Holzmesse, bei den Eichendorfer Dichtertagen, die gerade dort abgehalten wurden... Aber dann ging es Schlag auf Schlag: Sein Terror in Italien, seine Schönfärberei in Lissabon, die Auseinandersetzungen am Persischen Golf; schließlich, in einem Hotelzimmer in Beirut, brach der Konflikt offen aus ... – Himmel und Hölle so nah beisammen, und immer die Spuren verwischen –

Sprecher

Was bisher geschah.

M 3

– Verdammter Auftrag, mit dem alles anfing, der uns zusammenführte, kreuz und quer durch Europa und wohin noch … Mutlangen, Esslingen, Rottweil, überall gewesen, Metz, Idolsberg, Gars am Kamp, nichts, das uns fremd blieb. Nie vergesse ich Zürich, mein Waterloo, wie sich leider erst in Berlin herausstellte. Oslo, Genf, Brüssel, Gespräche, Programmentwürfe, Friedenssicherung ... In Krefeld aber schon Krawalle, daß das Hotelpersonal zusammenlief, ähnlich in Helsinki, wo sie ein Abkommen vorschlug, dann Warmbad Villach, Heulszenen in Linz,

(nachäffend)

M 3

sie appelliere an mich – Ein Zwischenfall nach dem anderen, diese Reise schien nur aus Zwischenfällen zu bestehen. Und immer wieder: Du bist ja betrunken, du hast getrunken, unausgesetzt. ... Jawohl, gab ich zurück, seit jener Szene in Berlin trinke ich, und ich gedenke nicht, damit aufzuhören ... Ihr Mürzzuschlager Manifest, ihre Salzburger Humanismusgespräche! Wie es ihr begreiflich machen? In Italien griff ich hart durch, in Lissabon brannte ich ein Feuerwerk an Galanterien ab, alles umsonst; Zürich war ein tragischer Irrtum gewesen. – Dann die Libanon-Krise, diese schreckliche Nacht, eingesperrt in einem Hotelzimmer .... Ein Funke hatte genügt, um den Konflikt neu anzufachen.

M 3

– Aber was bisher geschah, sollte nichts sein gegen das Kommende ...

Klaviermusik

Sprecher und Sprecherin

Was bisher geschah.

Sprecher

Ein Gespenst geht um in Europa und hinterläßt seine Spuren: die Schober-Gruppe. Alle Versuche dieses Gespenstes habhaft zu werden, sind bislang gescheitert – zu international agiert die Gruppe, zu raffiniert arbeitet sie mit anderen Grippen zusammen.

Sprecherin

Auf einen blutigen Sommer folgt der steirische Herbst. In Geheimkonferenzen, den später so genannten Schloßberg-Gesprächen, wird die »Grazer Dramaturgie« beschlossen, nämlich den schizophrenen Detektiv Katz & Klump auf das Phantom anzusetzen. Da Katz & Klump auf Grund seiner vielfältig gespaltenen Persönlichkeit ein ganzes Team von Kriminalisten ersetzen kann, erscheint diese Vorgangsweise ebenso kostensparend wie vielversprechend.

Sprecher

In Warmbad Villach verliert sich die Spur. Katz & Klump nimmt die Ermittlungen auf ...

Innenraum. Aus einem Radio ist gerade eine Verkehrsmeldung zu hören

Verkehrsmeldung

ich wiederhole: Alle Verbindungsstraßen nach Leibnitz sind gesperrt, den Kraftfahrern wird dringend empfohlen großräumig auszuweichen.

Katz

Stell das ab.

Das Radio wird noch vor Ende der Meldung abgeschaltet.

Katz

– Und was sagst du dazu: Am 4. 5. übernachtet Frau Klein in Warmbad Villach, unter falschem Namen, sie nennt sich dort Bierbichler. Verläßt am nächsten Morgen überstürzt das Hotel, niemand weiß wohin ...

Klump

Gefällt mir nicht ... Die Grenzen so nahe, Italien, Jugoslawien, Rijeka, Triest, Camporosso –

Katz

Klump

Barbara Klein war damals nachweislich in London.

Katz

Bist du sicher?

Klump

Ganz sicher. Sie wurde in London mit einem Ramiro Villanueva, Soldat der Luftwaffe in Bogota, Kolumbien, beobachtet

Katz

Und Groß?

Klump

Ebenfalls. – In Warmbad Villach wurde Johannes Groß zuletzt gesehen, als der Parlamentsklub seine Tagung abhielt, Warmbader Beschlüsse , diese Geschichte ... Deckname Baumgartner. Fällt dir was auf? Der Parlamentsclub tagt, und rein zufällig ist auch Herr Groß zur selben Zeit in Warmbad ...

Katz

Ja, verdammt, du hast recht, wirklich merkwürdig ...

Pause

Katz

Und jetzt?

Klump

Wir warten

Katz

Wir warten?

Klump

Wir warten auf eine bestimmte Maschine aus Zürich ...

Ausblenden

Sprecher

Der dramatisierte Schundroman.

Landendes Flugzeug. Anschließend Halle, gedämpft, Durchsagen etc.Nach dem Titel Hintergrund ausblenden.

Sprecher

Schnee.

Sprecherin

Letzte Folge.

F 2

Hätte dir, Ramiro Villanueva, hätte dir nicht bei der Paßkontrolle schon zu denken geben sollen, wie rasch und selbstverständlich du abgefertigt wurdest? Gut, du warst selbst damit beschäftigt, als harmloser Tourist zu erscheinen, aber hätte dir nicht auffallen müssen, wie bevorzugt und scheinbar desinteressiert dein Gepäck kontrolliert wurde? Hättest du nicht, in die Ankunftshalle tretend, zumindest den Herrn mit dem Schlapphut bemerken müssen, der angestrengt die Tafel mit den Arrivals studierte, oder den anderen, der sich gerade eine Zeitung kaufte und dann einem dritten wie einem plötzlich entdeckten Bekannten zuwinkte? Als du erleichtert in sein Taxi stiegst, Ramiro Villanueva, und in die Stadt fuhrst, hättest du nicht prüfen sollen, ob dir auch niemand folgt? Und schließlich die Männer, die kurz nach dir die Hotelhalle betraten und sich, eben wurde dir der Zimmer schlüssel ausgefolgt, wieder entfernten, wie konnten sie dir entgehen? Gewiß, du konntest nicht ahnen, daß du nicht nur von deinen Geschäftsfreunden erwartet wurdest, sondern auch von ganz anderen ... Sogar die Presse war längst eingeschaltet, eine große Tageszeitung hatte sich exklusiv den Bericht gesichert! Der Aufenthalt in dieser Stadt, Ramiro Villanueva, wird lange dauern ...

Rotationsgeräusch

M 1

19 Uhr 20. Der Drogenkurier trifft im Hotel ein. Er nimmt ein Zimmer im dritten Stock. Über ein Funksignal erhalten wir das vereinbarte Zeichen.

Rotationsgeräusch

M 1

19 Uhr 23. Der Kolumbier meldet ein Telefongespräch an. Wie erwartet, will er sich mit seinem Kontaktmann in Verbindung setzen. Mit »Lichtorgler« Rapp, in der Unterwelt auch als Tätowierer bekannt. 19 Uhr 25. Die Spannung nimmt zu. In der Wohnung des Tätowierers klingelt das Telefon …

Einige Sekunden nichts, allenfalls ein Rauschen

M 1

In der Wohnung des Tätowierers klingelt das Telefon.

Einige Sekunden nichts, dann zweimal Tuten eines Nebelhorns

M 1

Die Spannung steigt weiter.

Lange anhaltendes Telefonklingeln. Dann Telefonklingeln im Hintergrund, im Vordergrund junge Frauenstimme, kichernd.

junge Frauenstimme

Stellt euch vor, das Telefon klingelt, und keiner geht hin.

Telefon wieder im Vordergrund,

Männerstimme

Pronto?!

Hörbare Stille, eventuell Knacken in der Leitung. Wieder die Frauenstimme.

junge Frauenstimme

Stell dir vor, du gehst hin, und keiner ist dran.

Noch etwas abwarten, dann auflegen. Sofort klingelt das Telefon wieder. Abheben

Männerstimme

Pronto?!

Am Telefon eine Journalstimme

Journalstimme

Hallo, Leibnitz? Ich rufe Leibnitz, Leib –

Hörer wird auf die Gabel geknallt. Rotationsgeräusch.

M 1

19 Uhr 30. Auf dem Höhepunkt der Spannung kommt es zu Fehlschaltungen und Mißverständnissen. – Da aber summt in Villanuevas Hotelzimmer das Telefon. Villanueva hebt ab …

Männerstimme

Villanueva – Kältetechnik, Grüß Gott?

›Unheimliche‹ Telefonstimme

Die Wahrheit ist weiß wie Schnee. In zehn Minuten. Basta!

Besetztzeichen. Auflegen. Rotationsgeräusch.

M 1

Nun kommt Bewegung in die Geschichte. Zehn Minuten nach diesem mysteriösen Anruf - wahrscheinlich der vereinbarte Code – betritt Lichtorgler Rapp hastig das Hotel und erklärt, Senor Villanueva erwarte ihn in seinem Zimmer. Vor dem Hotel lagern zerlumpte Gestalten – als Bettler und Aussätzige getarnte Undercover-Agenten und Journalisten. Gleich wird der große Schlag geführt werden.

Drei mächtige Paukentöne

Frauenstimme

Auf das vereinbarte Klopfzeichen öffnete Villanueva die Tür seines Zimmers. Heroinspaziert, heroinspaziert (sic! CD), begrüßte er aufgeräumt seinen sauberen Freund. Dann verschloß er hinter dem Besucher die Türe.

Gefängnistüre fällt ins Schloß

M 1

19 Uhr 46. Die Ereignisse überstürzen sich. Mit Panzerfäusten dringen die Detektive ins Zimmer und halten den verblüfften Männern, ihre Dienstmarken unter die Nase. Aus dem Gesicht des Kolumbiers entweicht jede Farbe.

Geräusch entweichender Luft, etwa aus einem Reifen

M 1

Die Beamten ziehen rasch eine Probe des Giftes, um sich von Echtheit und Güte zu überzeugen; dann werden der Drogenkurier und sein Kontaktmann abgeführt. Beim Tätowierer wird außerdem ein brisantes Notizbuch mit bekannten Namen der Halbwelt sichergestellt …

Kurz anspielen: Georg Danzer, »Mondprinzessin« – »sei kein Tätowierer …«

Frauenstimme

Bei den Detektiven herrschte eine Stimmung, wie man sie vom Schmaus nach großen Jagden kennt, eine Feststimmung, die noch tagelang anhielt. – Nur einer mochte sich der geglückten Aktion nicht so recht freuen: der Detektiv Katz und Klump. Bis spät in die Nacht saß er über Aussagen und Protokollen und überlegte, ob dieser Erfolg nicht eine Ablenkung vom eigentlichen großen Coup gewesen sein könnte …

Klump

Erklär mir bitte mal, warum Groß nicht an Bord des Flugzeugs war?

Katz

Is’ doch gleichgültig, Hauptsache, wir haben den Stoff.

Klump

Gleichgültig, so. – Und wer garantiert, daß nicht die tausendfache Menge auf der Straße ins Land gebracht wurde? Daß nicht Villanueva geopfert wurde, damit Groß unbehelligt agieren kann?

Katz

Ziemlich ausgeschlossen, wenn du mich fragst.

Klump

Du kennst die Methoden der Schober-Gruppe, die machen sich förmlich unsichtbar. – Wo ist beispielsweise Frau Klein?

Katz

Hm … – Warmbad Villach?

Klump

Ach, Harry ... Warmbad Villach ... Ja, Warmbad Villach, Beirut, Stockholm, Attersee, wer weiß? Such mal eine Träne in Ozean ...

Frauenstimme

Aber auch, daß den Kleinverteilern und Endverbrauchern nicht beizukommen war, bereitete dem Detektiv Kopfzerbrechen.

Klump

– Unerhört, wie die uns auf der Nase rumtanzen ... Da, hör dir das an: Falco, Ambros, behaupten, den Tätowierer persönlich gar nicht zu kennen, hätten rein beruflich mit seiner Firma zu tun ...

Katz

Freche Hunde.

Klump

Oder

blättert

Klump

hier, Herr Fendrich, droht gleich mit Anwalt! … Sein Lieblingssport wäre Schwimmen, nicht Schi fahren ... Erklärt, daß er Platinplatten nur an der Wand mag, nicht in der Nase ...

Katz

Arschloch. – Mir reicht‘s für heute. Dreh mal das Radio an.

Radio wird angeschaltet. Ende einer Journalsendung,

Journalstimme

die Verbindung nach Leibnitz ist leider nicht mehr zustandegekommen, wir werden es in unserer nächsten Sendung wieder versuchen, bis dahin guten Abend.

Journal Ende. Kurze Pause.

Dann Klaviermusik, bis zum Ende der folgenden Ansage.

Sprecherin

Der dramatisierte Schundroman. Gars am Kamp, mein Lieber! Letzte Folge.

Sprecher

Es war ein warmer Herbsttag. Pulvergeruch hing noch schwer in der Luft. Äpfel fielen raschelnd durch das Gezweig. Ernst und ohne einander anzublicken gingen sie den Schotterweg von der Kirche hinunter zum Wirtshaus.

Während der ganzen Szene im Hintergrund Schritte, langsames, gleichmäßiges Gehen. Die Sprecher unterhalten sich nicht, sondern sprechen vor sich hin.

M 2

F 3

Alles?

M 2

Ich bin mit dem Postautobus gefahren, vier Stunden ...

F 3

Vier Stunden?

M 2

Vier Stunden, ja. Gleich, als ich ankam, sah ich ein frisch abgeerntetes Feld mit großen Flecken bleicher Maisfelder, dann umgepflügte Äcker, ockerfarbene Felder, schließlich –

F 3

Du hast nichts gesehen in Gars am Kamp.

M 2

– schließlich lang gedehnte Stoppeläcker. Das Maisfeld, aus dem der Hahn aufgeflogen war, lag übrigens an einem kleinen Bach. Plötzlich fielen Schüsse.

F 3

Schüsse?

M 2

Jawohl, Schüsse. Ich sah, wie der Nußhäher mitten im Flug ins Trudeln geriet und abstürzte. Er kam direkt Tor meinen Füßen zu liegen, und ich bemerkte genau sein schön gezeichnetes Gefieder.

F 3

Das hast du gesehen?

M 2

Nie konnte mir ein Tier entgehen. Du erinnerst dich, damals, als wir die Steiermark bereisten, du erinnerst dich an den Hirsch von Hartberg ...

F 3

Wie könnte ich ihn vergessen. Er stand reglos da, nur wenige Meter von uns entfernt, es sah aus, als wolle er gleich zu röhren beginnen. Aber dann: nichts ...

M 2

Gars am Kamp ist nicht Hartberg. Hier ist es anders, schlimmer. Vor der Tür beispielsweise lag ein toter Maulwurf mit rosa Pfoten.

F 3

Rosa Pfoten?

M 2

Rosa, ja. Die Frau hob ihn mit einem Blatt auf und warf ihn auf den Misthaufen. Dann –

F 3

Dann?

M 2

Aus dem Nebel hörte ich ein einzelnes Horn, ohne aber den dazugehörigen Jäger wahrnehmen zu können.

F 3

Du siehst, du hast nichts gesehen in Gars am Kamp.

M 2

Ich will dich schonen, nur deshalb erzähle ich dir nicht alles.

F 3

Mich schonen? Die ich Monate in Lend im Pongau zubrachte und in Knittelfeld praktizierte, du mich, schonen? Du hast nichts gesehen in Gars am Knap, nichts!

M 2

Gut. Versprich mir, dich nicht aufzuregen. Es war so: nachdem die Frau den Maulwurf – du erinnerst dich?

F 3

Den Maulwurf alt den rosa Pfoten ...

M 2

– Eben den, nachdem sie ihn endlich auf den Misthaufen befördert hatte, sah ich, wie sie mit einem Hackmesser einen Kürbis zwischen ihren nackten Füßen –

F 3

Das willst du gesehen haben? Nichts hast du gesehen …

M 2

Ich habe es gesehen, hier, in Gars am Kamp, mit meinen eigenen Augen. Wie sie, auf einem Faß sitzend, den Kürbis zwischen ihre nackten Füße klemmte, mit dem Hackmesser auf schlug, die Kerne herausgriff und in einen grünen Metalltopf warf!

F 3

Du hast dich getäuscht, du hast nichts gesehen!

M 2

Es sollte noch schlimmer kommen. Ich sah, wie die Knechte die Maispflanzen knapp über dem Boden abhieben, sodaß gelbe Stümpfe stehenblieben, dann nahmen sie die Bündel in den Arm und streuten sie in die Ackerzelle. Einmal –

F 3

Nein!

M 2

– Einmal hob der Bauer seine HJacke am Feldrand auf und trank einen Schluck aus dem Mostkrug. Der Sohn des Bauern trug trotz der Hitze eine rot-weiße Wollmütze auf dem Kopf, eine Schisportlermütze, eine Riesentorlauf Spezialistenmütze. Auf der anderen Seite, neben einem Holzschuppen, neben zwei leeren Fässern, gackerten aufgeregt die Hühner ...

F 3

Es kann nicht sein, du hast nichts gesehen.

M 2

– alles gesehen in Gars am Kamp – ehe der Hahn ein drittes Mal krähte, hatte ich schon die Kirschbäume hinter dem Haus erblickt, die mit einem Schleier absterbender Blätter bedeckt waren; in ihrer Buntheit sahen sie aus wie mit gelben und roten Federn eines Paradiesvogels geschmückt, hörst du mich?

F 3

Du hast es nicht ertragen. Du hast den Blick gesenkt und minutenlang den auf gegangenen Schnürsenkel an deinem linken Schuh betrachtet, gib es zu. – Niemand hätte es ertragen können.

M 2

Nichts dergleichen. Ich habe es gesehen. Ich habe alles gesehen in Gars am Kamp. ich habe die Spuren von Traktorreifen gesehen an einem Abend im Herbst, die sich tief ins feuchte Erdreich gruben. Und noch etwas habe ich gesehen: Eines anderen Tages, tiefer Frieden überall, kam ein lilafarbener Volkswagen nach Gars am Kamp und hielt unten an der Brücke. Einer Ohnmacht nahe, zwang ich mich hinzusehen. Aus dem Kraftfahrzeug stieg ein vielleicht vierzigjähriger Mann mit dunklen Haaren und einem Vollbart und kam die Straße herauf ...

Sie sind stehengeblieben

F 3

Du lügst! Du hast nichts gesehen in Gars am Kamp, nichts hast du – –

Sprecher

Mit einem erstickten Schrei stürzte sie zu seinen Füßen. Er sah sich um. Nur noch wenige Schritte waren sie vom Wirtshaus entfernt, und doch wußte er plötzlich, daß er niemals mehr seinen Fuß in die düstere Wirtsstube setzen würde, in der sie kurze Zeit so glücklich miteinander gewesen waren.

Sprecherin

Eine Verkehrsmeldung. Achtung, Autofahrer, im Großraum Leibnitz, alle Verbindungsstraßen nach Leibnitz sind gesperrt, es wird dringend empfohlen, großräumig auszuweichen.

Signation à la ›Stahlnetz‹

Sprecher

Spur nach Bremerhaven.

Klump

Was bisher geschah? Nichts, überhaupt nichts! Es ist zum Aus-der-Haut-Fahren.

Katz

Ich will noch einen ganzen Haufen leben.

Klump

Meinst du, ich nicht? Was soll denn der Quatsch?

Katz

Nichts, nur so, fiel mir grade ein.

Klump

Du kannst einem vielleicht auf den Wecker fallen, aber ganz gehörig! Laß jetzt den Blödsinn. – Noch mal von vorn, wir –

Katz

Ich höre.

Klump

– Wir müssen System reinbringen.

Kurze Pause, dann referierend:

Klump

Unser einziger Anhaltspunkt ist, daß Groß, nachdem er aus Wien verschwinden ist, im April in Bremerhaven auftaucht, und zwar schleicht er sich dort in einen Arbeitskreis Rüstungswirtschaft ein, der von Müll geleitet wird.

Katz

Müll. – Der Müll, bei dem mal die Klein – ? Unser Müll?

Klump

Genau der, der Industrie-Müll. Erst Krupp, dann Thyssen, später zur Verbesserung der Beziehungen zwischen Heer und Industrie ins Ministerium berufen.

Klump

Verstehe.

Klump

Das Problem ist, daß in unserem Dossier der Name Groß nicht aufscheint. Unsere Spur beruht einzig auf einer mündlichen Information eines Kontaktmannes, Bundeswehroffizier, nicht eben zuverlässig.

Katz

Trotzdem, weiter.

Klump

Im Rahmen des Intensivierungsprogramms werden auch kurzfristige Wehrübungen für Industriemanager abgehalten, Führungskräfte werden an MP und MG ausgebildet.

Kurze Pause

Klump

In Bremerhaven nahm auch ein gewisser Hans Magnus Enzengruber an einer solchen Übung teil.

Katz

Enzengruber? Enzensberger!

Klump

Enzengruber. Der Nachname tut übrigens nichts zur Sache.

Katz

Und?

Klump

Du kennst ihn, wir beide kennen ihn.

Katz

?

Klump

Hans Magnus Enzengruber, überleg doch mal. Fällt dir nichts auf?

Katz

Ich werd verrückt. Johannes Groß!

Klump

Das hat aber gedauert. Groß, natürlich, von sich selbst besessen bis in die Decknamen hinein ...

Katz

Wollen uns wohl vorführen, was ‘ne Harke ist, aber vorher zeigen wir Ihnen, wo der Bartel den Most holt – in der Steiermark nämlich. Hab ich recht, Stephan?

Klump

Haarscharf getroffen. – Die Klein sollte bald darauf in der Steiermark aktiv werden, Knittelfeld, Judenburg ... Aber das nehmen wir uns später vor. Erst die Tagebücher, die sind wichtiger, und dann diesen Pichler.

Klaviermusik

Sprecherin

Der dramatisierte Schundroman. »Tagebuch.« – Letzte Folge.

Zwischen den ›Eintragungen‹ ganz kurz angespielte Passagen aus Klavierstücken von Schönberg

F 1

8. 3., Aschaffenburg. – Müde. Verbraucht. Leblos. 10. 3., Aschaffenburg. – Ausgebrannt, wie gelähmt, am Abgrund. – Banal geträumt. Später Pichler. 11. 3., Nürnberg. – Ein ausgeleerter Kübel, ein Nichts. Draußen Föhn. Finsternis. Kurzer, unruhiger Schlaf. Dann Pichler.

Rotationsgeräusch

F 1

16. 3., Erlangen. – Nichts. Pichler. 20. 3., Ingolstadt. – Wie gerädert von der Last meines Körpers. Zwischenfälle, Verluste. Abendessen mit Rod. Michel mit seiner behaarten Seemannsbrust. Pichler? 22. 3., Minden. – Offene Verandafenster. Klaviermusik. Dann Pichler

Rotationsgeräusch

F 1

Im Hunsrück. – Schüttelfrost. Hundegekläff. Alles vergessen, was sein wird, Pichler vergessen. 26. 3., Amras. – Verstörung. Vorbei am Kalkwerk. 30. 3., Madonna di Campiglio. – Sehnsucht, fortschreitende Verwirrung, Gewühl im Sonnengeflecht. Der Schoß in voller Bereitschaft, schmerzhaft die Schenkel durchströmendes Einverständnis. Dann Attersee. 2. 4., Ravenna. – Attersee. 3. 4., – Die Hitze vor den zugezogenen Fensterläden. Rotwein aus dem Zahnputzbecher. Nachmittägliches Entsetzen. 7. 4. – Triest. – Husten, Erschöpfung. Alle Schrecknisse der Nacht durohmessen, wie damals, in Bad Gastein. Niemand darf von dieser Niederlage erfahren.

Rotationsgeräusch

F 1

10. 4., Warmbad Villach. – Traumrudimente: P.s Gesicht, von Salzsäure verunstaltet. – Am Morgen im Foyer Mattschacker. Höflich grüßend an ihm vorbei. Drecksack. 12. 4., Baden Baden. – Wie ein erloschener Vulkan; ja, ein genaues Bild. – Nachts die Todesschreie eines Vogels. 20. 4. – Verfinsterung. Und Rüsselsheim, was habe ich hier verloren – Ein letztes Mal Attersee. 22. 4., Fulda. – Schmutziggrauer Vormittag, Frühstück. – Tod, überall Tod. Plötzliches Bild: P.s feuchte Augen mit den lang anhaltenden Blicken. 2. 5., Bebra. – Zwiebelgeruch. Erstickungsanfälle. Tremor.

Rotationsgeräusch

F 1

10. 5., Attersee. – Nichts. Nachts Pichler. 11. 5., – Leere. Abgestorben. Dann Pichler. 12. 5. – Pichler, schweigsam, von hinten. In der ländlichen Stille wie begraben. 14. 5. – Aufruhr. Der schöne Brief von H. aus Gars am Kamp – die Kunst eine Sackgasse, welch ein Vergleich! 16. 5. – Pichler, wie ein heißer gelber Sturm. 11 Uhr nachts. – Wer ist Pichler wirklich? 4. 6., Reicheneibach. – Der letzte Tag in Reicheneibach. Auf dem Weg zurück in die Dorfwirtschaft plötzlich ein Gedanke, der Entsetzen auslöste: Pichler – kann er mir gefährlich werden? 7./8. 6., im Flugzeug irgendwo über dem Mittelmeer. – Hier soll es damals passiert sein.

Rotationsgeräusch

Kennung einer Journalsendung, dann Moderator

Moderator

»Guten Abend, meine Damen und Herren. – Stichwort, Tagesthema Leibnitz, die Geschehnisse in und um Leibnitz. Wir hoffen, daß die Verbindung nach Leibnitz inzwischen zustande gekommen ist – Augenblick

Telefon summt, abheben

Moderator

– ja, hallo? – Leibnitz? – Mathias Waiden, können Sie mich hören?

Aus dem Telefon nichts oder eine völlig unverständliche, verzerrte Reportage

Moderator

– – Hallo?

legt auf

Moderator

Tja, es hat leider noch immer nicht geklappt, aber wir versuchen natürlich weiterhin, die Verbindung mit Leibnitz herzustellen.«

abblenden

Aufblenden: Leere abendliche Straße, im Hintergrund aus offenen Fenstern evtl. Fernsehgeräusche – Dallas, Dynasty oder Formel 1-Reportagen. – Katz unterhält sich gehend mit Klump – entweder die Schritte zweier Fußgeher, oder, besser noch, wenn im linken Kanal Katz spricht, Schritte im rechten Kanal, wenn Klump im rechten Kanal antwortet, Schritte im linken Kanal usf.

Klump

Hast du bemerkt, wie vorsichtig dieser Pichler war? Weiß sicher mehr, als er zugibt. Ein Sympathisant, wie er im Buch steht.

Katz

Ach komm, du siehst Gespenster … Nur weil er’s vor Jahren mit der Klein getrieben hat?

Klump

Er war auch mit Groß zusammen.

Katz

Bisexuell?

Klump

Nein doch! Beruflich, wenn man’s so nennen will. – Kurier der Goldberg-Gruppe, was ihm aber nie nachzuweisen war, Trainingsmanager der Schober-Gruppe, internationale Einsätze, aber immer ganz legal. Und und und ...!

Kurze Pause

Klump

– Hätte gute Lust, diesen Fall überhaupt hinzuschmeißen.

Katz

Kopf hoch, Stephan, man muß den Flüssen trauen! Warum versuchen wir's nicht einfach am Markt, wir haben doch genügend alte Kunden dort.. ?

Klump

Das wird doch wieder ein Schlag ins Wasser... Aber gut, wenn du meinst... Wir treffen uns also vor der Marktwirtschaft, wie früher ...

Ausblenden.

Aufblenden: Akustische Kulisse etwa eines Obst- und Gemüsemarktes.

Im Vordergrund zwei Ausrufer, einer links, einer rechts, marktschreierisch anpreisend

Betriebsmittelfinanzierungen, Investitionsfinanzierungen!

Schnürsenkel, Putzlappen, Schwedenhölzer...!

Liquiditätssteuerung, Kreditgebahrung!

Evtl. wiederholen, mehr und mehr im Hintergrund; gleichzeitig Katz & Klump, der zwischen den Ausrufern hindurchgeht, halblaut:

Katz

– Sieh mal an, der Blinde mit der Beinprothese…

Klump

Wo?

Katz

Da vorne, beim Lottostand

Klump

Tatsächlich. Wenn der blind ist, freß ich seine Prothese.

Katz

Jetzt geht er in die Wirtschaft! Los, hinterher ...

Klump

Aber getrennt! Erst du, dann ich ...

Ausblenden

Weibliche Erzählstimme

In der Marktwirtschaft ging es hoch her. Der Detektiv tat, als suche er einen Bekannten, und ging langsam von Tisch zu Tisch ...

Aufblenden: Gasthauskulisse, Kneipenlärm; Gesprächsfetzen, von Tisch zu Tisch:

Prostata, lieber Amerongen, Prösterchen!

Hoch die Tassen!

Er gab sich nämlich als Verkaufsrepräsentant für Desinfektionsmittel aus ...

– und wie, eine unternehmerisch denkende Persönlichkeit von absoluter Integrität! Ein Mann der alten Schule ...

Im Hintergrund aufkommender Tumult.

»Arbeitsplätzchen, Arbeitsplätzchen!« –

evtl. von Händeklatschen unterstützt – und

»Arbeitsblödsinn, Arbeitsblödsinn«.

Vordergrund:

Na, du Wirtschaftsförderungsinstitut, du kesses Stück Dreck …

im Sinne von Arbeitsplatzsicherung völlig verfehlte Strategie …

Aber eines sage ich Ihnen, meiner Tochterfirma tritt niemand mehr zu nahe!

Nun produzier dich nicht so …

Wer? Ich? – Nimm das zurück!

Ich denk nicht dran, du Kryptokommunist, du rote Sau du!

Der Tumult hat sich zur Schlägerei entwickelt, Stühle fallen um, Gläser bersten, Geschrei etc. Dann ausblenden.

Weibliche Erzählstimme

Das zunehmende Chaos in der Marktwirtschaft nutzte der Blinde, um unauffällig zu entkommen. Auch Katz und Klump zogen sich eilig aus der Wirtschaft zurück, aber es war bereits zu spät …

ganz kurze Pause

Sprecherin

Sie hörten den dramatisierten Schundroman. – Da uns bis zur nächsten Sendung noch etwas Zeit bleibt, einige Takte Musik und Werbung.

Werbestimmen; zwischendurch Musik

Hausfriedensbruch? Besitzstörung? Ärger mit den Nachbarn? – Ein Granatwerfer von Junghans schafft Abhilfe. Granatwerfer von Junghans – dem bißchen Frieden zuliebe …

Die beliebten Mehrzweckfregatten »Meko 360« – nur von Blohm und Voss, Hamburg. – Blohm und Voss: Die Guten unter den Bösen!

Ihr Rüstungsberater m – Diehl, Nürnberg. Handgranaten, Panzerfäuste, Panzerzugmaschinen und was sonst noch für den Frieden vonnöten ist: bei Diehl, Nürnberg. Bei Diehl gibt’s viel!

Musik wird von einem Verkehrsmeldungssignal unterbrochen.

Sprecherin

Eine Verkehrsmeldung. Die Verbindungsstraßen nach Leibnitz sind immer noch unterbrochen, da sich schon etliche Zwischenfälle ereignet haben, ersuchen wir die Autofahrer, von Fahrten nach Leibnitz Abstand zu nehmen.

Kurze Pause

Sprecher

Unser Radiolehrgang.

Arbeitslärm – Kakophonie, Preßluftbohrer, Fabrikhalle, Hämmern, Sägen usf. Während des Titels Geräusche im Hintergrund.

Sprecher

Arbeitswelt.

Sprecherin

Der Schundroman zum Selbermachen. Letzte Folge »Nachtarbeit«

M 1

Problemstellung und Ausgangssituation: Die Hauptperson macht sich auf den Weg zur Schichtarbeit, seine Freundin geht ins Kino. Beginnen Sie.

M 4

Johann Tobel fühlte sich elend. Seit er vor einigen Tagen sein Auto zertrümmert hatte, war er nur noch ein halber Mensch. Er mußte nun täglich mit Bus und Bahn in den Betrieb fahren. Widerwillig packte er die Jausenbrote ein, die Gerda ihm gestrichen hatte. Seine Verlobte wollte ins Kino gehen, sie begleitete ihn bis zur Bushaltestelle.

M 1

Akzeptiert, das Adverb »widerwillig« sogar sehr gut. Auch die Geschichte mit dem kaputten Auto ist einfallsreich. Nun Abschied und Beschreibung des Weges zum Arbeitsplatz, Tristesse!

M 4

Tobel küßte Gerda zum Abschied flüchtig auf die Wange und stieg in den Bus. – Der Bus war nicht geheizt. Auch die Schnellbahn, in die er später umstieg, war kalt und fast leer. In den Wirtsstuben schäumte das Bier aus den Zapfhähnen. Von den Dächern der Häuser blinkten Leuchtreklame, im Nebel nur als verschwommene Konturen wahrnehmbar. Die Bahn fuhr an einem Autofriedhof vorüber. Tobel fröstelte.

M 1

Gut gemacht. Folgt nun Einsetzen der Handlung.

M 4

Als er die Halle betrat, wunderte er sich und wußte dennoch sofort Bescheid. Die Kollegen standen in kleinen Gruppen herum und debattierten erregt, es herrschte dicke Luft. Pazifisten und Naturschützer hatten also die Oberhand behalten, dachte Tobel bitter. Kurzarbeit, fuhr es ihm durch den Kopf, oder überhaupt Arbeitslosigkeit, Elend, die noch nicht abgezahlte Wohnung, die Raten für den neuen Audi Quatro –

M 1

Keine Namen. Der Name des Produkts ist bedeutungslos. – Jetzt Nebenfiguren, Kampfstimmung.

M 4

Johann Tobel gesellte sich zu den Kollegen. Das können‘s mit uns nicht machen, schrie der Birgel gerade, mit uns nicht! Eine Sauerei ist das, sagte Rußwurm. – Grad jetzt, wo die Benzinpreise steigen und steigen, ergänzte Maurer. – Umwelt hin oder her, hier geht’s um Arbeitsplätze, schrie Kumpf dazwischen, erst kommt der Mensch, dann der Wald, verdammt noch mal! Sein sonst so ruhiges Gesicht war rot vor Zorn. Auch Tobel spürte Wut in sich auf steigen, und die Wut tat ihm gut, wirkte befreiend. Wir müssen was unternehmen, schaltete er sich ins Gespräch ein, denn es ist doch so: Ohne Arbeitsplatz kein Auto, und ohne Autos, wie kommen wir dann an unsere Arbeitsplätze? – Genau, ganz richtig, so ist es, tönte es von allen Seiten. Kein Zweifel, die Kollegen waren kampfbereit bis zum äußersten.

M 1

Ausgezeichnet. Jetzt überraschende Wendung.

M 4

Plötzlich erschien der Meister in der Halle. Das Arschloch, konnte Birgel noch knurren, bevor sie in alle Himmelsrichtungen auseinanderstoben, um die Plätze an ihren Maschinen einzunehmen. – Mechanisch vollführte Tobel die gewohnten Handgriffe. Er fühlte sich ausgebrannt, doch tief in ihm schwelte ein Feuer ...

M 1

In Ordnung. Der Hold kehrt nach Hause zurück. – Bitte.

M 4

Tobel knallte die Wohnungstür hinter sich zu und drehte das Radio an. Gerda sprang nackt aus dem Bett und schaltete es wieder aus. Endlich bist du da, sagte sie, komm, schnell, ich bin so scharf … Damit legte sie sich verführerisch aufs Bett. Nun wurde es Tobel zuviel. Verdammte Scheiße, brüllte er, wir kämpfen am unsere Arbeitsplätze, und du hast nichts im Kopf als deine Votze! Leck mich doch am Arsch!! Er schlug sich mehrmals mit der flachen Hand gegen die Stirn. Die Digitaluhr auf dem Nachtkästchen zeigte 5 Uhr 55.

Klaviermusik

Aufblenden. Innenraum. Katz und Klump über eine Landkarte gebeugt.

Klump

... also, die Steiermark.... Die letzten Stationen der Klein waren... – gib mir mal ‘ne Stecknadel rüber – waren Knittelfeld, hier ... und Judenburg ... da, Judenburg. Dann allerdings reißt der Film. – Aber jetzt paß auf,

nimmt ein Schriftstück zur Hand

Klump

Auszug Dossier:

liest vor

Klump

Die nächste Zusammenkunft – Strategie, Logistik – fand in einem Schloß in der Nähe von Leibnitz statt. Dieses Schloß gehört übrigens einem bedeutenden Hygieneartikel-Hersteller. Beobachtet wurden hauptsächlich Top-Leute: Neben Aschenbrenner, dem nur wenig später ermordeten Führer der Venediger-Gruppe, Rieche und Rubbers von der Handelsbank, Zunz und von Hurwitz von der Goldberg-Gruppe sowie »Old Schwurhand«. Die Adamello-Gruppe war durch Negrelli vertreten, die Silvretta-Gruppe durch O’Loughlin. Außerdem gesichtet: der südafrikanische Botschafter usw. usf.

legt das Papier beiseite

Klump

Hochkarätige Versammlung, erlesenes Buffet. Bedienung und Garderobenmädchen über eine Hostessen-Agentur engagiert. Hübsche Mädchen, die sich ein Taschengeld verdienen. – Weißt du, worauf ich hinauswill?

Katz

Längst schon, aber man soll ja den Erzählfluß nicht bremsen ...

Klump

Du mit deinen verdammten Weisheiten! Weißt du’s nun oder weißt du’s nicht?

Katz

Ja doch, die Klein war im Schloß, hat dort serviert. Na und?, hilft uns das weiter? Ist sie vielleicht noch dort?

Klump

Natürlich nicht. Worum es geht, ist: Was wollte sie dort? Was weiß sie? Was hat sie vor? Hat sie am Ende einen dieser Leute in ihr Bett gelockt? Immer neue Fragen, und dabei läuft uns die Zeit davon ...

Klaviermusik

Sprecherin

Der moderne Beziehungsroman. – Waldhof-Variationen – Letzte Folge.

Zwischen den einzelnen Blöcken Klaviermusik

F 4

– Die Stellenanzeige war auffällig plaziert – Import-Export, internationale Gruppe. Ich war mir sicher –

M 3

– Aus der Art, wie sie mich ansah, wurde mir klar –

F 2

– Nein, bedaure, Frau Prokurist Waldhof ist im Augenblick besetzt.

M 2

– oder um es mit einem Ausdruck aus dem Eishockey zu benennen: konsequentes Forechecking der Konkurrenz gegenüber.

F 4

– bietet sich nicht alle Tage, die Möglichkeit, einem Spitzenmann zu Diensten zu sein ...

M 3

– außergewöhnlich, keineswegs alltäglich, ganz und gar außergewöhnlich

F 4

– Er nahm mich mit zum Derby. Der Geruch 4er weiten Rasenflächen, ein leichter Wind, schweißnasse Pferde –

M 3

– später Abendessen mit ihr. Sie trug pfingstrosenfarbene Strümpfe und kurze Hosen. Und ihr perfektes Französisch, erstaunlich.

M 2

Morgen abend,

M 3

sagte ich,

M 2

Tel Aviv?

F 2

Tel Aviv,

F 4

gab ich zurück,

F 2

morgen abend!

M 3

– Es hat ja was auf sieh, sagte sie, es hat was auf sich, wenn gesagt wird, der Faschismus spielt sich im Bett ab, aber ich persönlich hab‘s gern, wenn –

F 4

– Auf einer Messe wie der kommenden, sagte er, werden Sie es nur mit potenten Käufern zu tun haben –

F 2

Also Tel Aviv,

F 4

sagte ich,

F 2

morgen abend!

M 2

Morgen abend,

M 3

antwortete ich,

M 2

Tel Aviv, ja.

F 2

Mit einem Loser ins Bett?

M 3

Mit einem Loser ins Bett, niemals, sagte sie. Wie ich die Grenze zwischen Privat- und Geschäftsleben ziehe, wollte sie wissen. Und ich: –

F 4

Bin absoluter Winner, und so geistreich! Hemmungslos ungenau ziehe er die Grenze zwischen Privat- und Geschäftsleben. Wovon ich mich nachhaltig überzeugen konnte.

M 2

– Hemmungslos ungenau. Zu guter letzt

Eine Spur leiser, mühsam ein Lachen unterdrückend

M 2

pinkelte ich ihr in die Votze ...

M 2

Wir haben,

M 3

sagte ich, wieder im Hotel,

M 2

nämlich einen großen Anwendungsstau in der Büroelektronik

M 3

und sah sie bedeutungsvoll an ...

F 2

Oh,

F 4

gab ich zurück,

F 2

oho, ließe sich dem nicht abhelfen …?

F 4

Er holte seinen Klepper aus dem Latz und sprach: –

M 3

Bevor es abermals soweit war, sagte ich:

M 2

Möge sich diese wunderbare Technologie flächendeckend über den gesamten Verwaltungsbereich ergießen ...

M 3

Dann kam ich über sie wie Honeywell Bull.

Klaviermusik, ausblenden Innenraum. Beide fassungslos.

Klump

Also, was sagt man dazu!?

Katz

Ich wird’ nicht mehr ... Nicht zu fassen, und doch –

Klump

Das Radio, schnell …

Radio wird angestellt, Vordergrund:

Journalstimme

– immer noch versucht wird, die Verbindung nach Leibnitz herzustellen, ist es uns gelungen, den Ersten Gemeinde Sekretär von Leibnitz, Herrn Schmidt, ins Studio zu bekommen, –

Schmidt

Guten Abend.

Journalstimme

Herr Schmidt, Sie waren indirekt ja auch Betroffener

Schmidt

Betroffener, ja.

Journalstimme

Herr Schmidt, kurz zur Täterpersönlichkeit| wer war eigentlich dieser Dietrich Wegener, der in der spektakulären Kommandoaktion vom Sparverein Grün-Schwarz-Grün unschädlich gemacht wurde? Sie haben mir vorhin gesagt, ganz Leibnitz hat sich vor ihm gefürchtet m –

Schmidt

Gefürchtet ist das richtige Wort, ja.

Journalstimme

Wenn ich recht verstanden habe, waren die Straßen, wenn Wegener auftauchte, wie leergefegt, niemand hat sich aus dem Haus getraut?

Schmidt

Jawohl, leergefegt.

Journalstimme

Nachforschungen haben ergeben, daß der Name Wegener auf Wegelagerer zurückgeht, also auch die Vorfahren schon –

Schmidt

Damit hat es ja nun ein Ende.

Journalstimme

– auch die Vorfahren bereits Wegeners, Wegelagerer waren.

Schmidt

Wegelagerer, ganz richtig.

Journalstimme

Und es ist immer wieder zu Zusammenstoßen und Zwischenfällen gekommen in Leibnitz?

Schmidt

Das ist richtig, ja.

Journal stimme:

Man kann also sagen, dieser Wegener war jener Typus des Kriminellen, der mit der Feigheit seiner Mitmenschen rechnet?, ein Außenseiter, für den das Wort Freundschaft ein Fremdwort war und der sich völlig in seine Wahnideen verrannt hat?

Schmidt

Die Rechnung wurde ihm präsentiert.

Journalstimme

Herr Schmidt, Wegener hat von der Gemeinde freien Abzug gefordert, und zwar in einem Auto, das von Ihrer Tochter gelenkt wird. Ihre Tochter ist jetzt wie alt?

Schmidt

23

Journalstimme

So sind inzwischen Stimmen laut geworden, die das harte Vorgehen der Gemeinde, insbesondere das Einbeziehen des Sparvereins, die Absperrungsmaßnahmen und schließlich die Liquidation verurteilt haben. Stimmen, die meinen, man hätte Wegener das Auto zur Verfügung stellen sollen, er hätte zweifellos Ihre Tochter unversehrt freigelassen.

Schmidt

Absurd.

Journalstimme

Sie stehen also zur Vorgangsweise der Gemeinde.

Schmidt

Voll und ganz.

Journalstimme

Auf der anderen Seite sind aber auch Telegramme eingegangen, die die Aktion befürworten?

Schmidt

Breiteste Zustimmung, ja.

Journalstimme

Herr Schmidt, könnten Sie uns eines dieser Telegramme vielleicht kurz vorlesen?

Schmidt

Gern.

Schmidt

»Dank an unsere Helden vom Sparverein Grün-Schwarz-Grün. – Wir sind stolz auf sie: Sie haben eine schwere Arbeit gut gemacht. – Sie sind keine Abenteurer, sondern ernste Männer, die sich um unser Leibnitz verdient gemacht haben. – Nochmals danke!«Ich denke, ein Kommentar erübrigt sich.

Journalstimme

Eine letzte Frage, Herr Schmidt: Besteht die Möglichkeit, daß Wegener Kontakte zur Schobergruppe unterhielt?

Schmidt

Nach bisherigen Erkenntnissen ist eine solche Verbindung so gut wie auszuschließen.

Radio wird abgedreht.

Klump

Die Nacht hat zwölf Stunden, dann kommt schon der Tag. Groß ist nicht Groß, und Klein nicht die Kleine …

Sprecher

Katz und Klump verwickelte sich plötzlich in eine heftige Auseinandersetzung. Während Klump glaubte, in der Stimme des Gemeindesekretärs jene von Johannes Groß erkannt zu haben, und Schmidts angebliche Tochter folglich nur Barbara Klein sein konnte, versteifte sich Katz auf das Telex des Informanten Fiebelkorn, wonach Groß und Klein sich längst nach Kolumbien abgesetzt hätten und in Bogota eine Kneipe betrieben …

Klump

– und ich sage dir, er ist es, es war seine Stimme, wir müssen vor Tagesanbruch zugreifen –

Katz

– Völlig irrsinnige Vermutung, im Rundfunk ist eine Täuschung nie auszuschließen. Die Schobergruppe ist in den Anden! Fiebelkorn weiß, was er sagt – ein Mann, der sich nicht ins Bier spucken läßt!

Beide Stimmen nun gleichseitig, erregt aufeinander einredend:

Klump

Fiebelkorn! Kneipe in Bogota! Blödsinn. Ein übles Schwein ist dieser Fiebelkorn, der weiß doch nicht mehr, für wen er arbeitet, wenn er nur arbeiten kann. – Fiebelkorn, Zwiebelkorn! Ich sage dir, wir müssen hier zugreifen, im Scheißgau, in Leibnitz, bevor der Tag anbricht, müssen wir zugreifen.

Katz

Groß und Klein sind in Bogota, das liegt klar auf der Hand. Bis hin zum Kneipennamen, wie heißt denn die Kneipe? »Zum Hochschober« heißt sie, oder heißt sie vielleicht nicht »Zum Hochschober« – Schmidt ist nicht Groß, und Klein nicht die Kleine ...! Alle Spuren waren falsch, wir müssen nach Südamerika …

Klaviermusik

Sprecherin

Sie hörten den dramatisierten Schundroman –

M 1

Letzte Folge.

F 3

Nein.

M 1

Groß und Klein.

F 3

Nichts.

M 1

Waldhof-Variationen.

F 3

Nichts gehört.

M 1

Arbeitswelt.

F 3

Du hast nichts gehört.

M 1

Ich habe alles gehört. – Marktwirtschaft.

F 3

Nein.

M 1

Tagebuch.

F 3

Auch nicht.

M 1

Spur nach Bremerhaven.

F 3

Kein Wort.

M 1

Gars am Kamp.

F 3

Keinen Laut.

M 1

Schnee.

F 3

Da hast nichts gehört.

M 1

Ich habe alles gehört. Was bisher geschah.

F 3

Niemand hat etwas gehört.

M 1

Alle haben es gehört.

F 3

Nein.

Ende